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Elena Pützer: Forschungsaufenthalt an der University of Sydney

Bericht über einen Auslandsaufenthalt mit Unterstützung durch die Förderung der Graduiertenschule der Humanwissenschaftlichen Fakultät

Mein Forschungsaufenthalt an der University of Sydney
Es ist 6:30 an einem kalten Samstagmorgen im März und ich stehe an meinem Gate am Flughafen Düsseldorf. Hier ist noch nicht viel los und ich habe noch 2 Stunden Zeit bis zum Abflug. Flug QR 088 um 8:40 nach Doha ist auf der Anzeige schon angeschlagen. Ich kaufe mir einen überteuerten Tee im Flughafencafé – für Kaffee ist es zu früh – und setze mich. Mir gegenüber sitzt ein älteres Pärchen, dass sich schon das erste Bier genehmigt. Wo die wohl hinfliegen?
Nach ca. 7 Stunden Flug erreichen wir Doha. Der Flug ging schnell vorbei, aber mir wird bewusst, dass ich noch nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft habe. Ich habe ein paar Stunden Zeit in Doha und laufe durch den Flughafen. Als es mit dem nächsten Flug endlich nach Sydney geht, bin ich zum Glück sehr müde und verbringe die 15 Stunden im A380 überwiegend mit Schlafen und Essen. Ich schaffe es noch nicht einmal, einen Film zu schauen. Ich erreiche Sydney pünktlich am Sonntagabend Ortszeit. Als ich aus dem Flughafen komme und ein Taxi suche, merke ich, wie warm es hier schon ist. Ich fahre zur Adresse meines AirBnb und beziehe mein Zimmer. Ich bereite meine Tasche für den nächsten Tag vor und falle ins Bett.


In der ersten Nacht schlafe ich zwar ganz okay, aber ich bin trotzdem sehr müde, als mein Wecker am nächsten Tag klingelt. In Deutschland wäre es jetzt erst Sonntagabend und ich würde wahrscheinlich gerade ins Bett gehen. Ich weiß, dass man dem Jetlag am besten damit begegnet, dass man sich dem neuen Tagesrhythmus sofort anpasst. Deshalb möchte ich direkt am Montagmorgen in die Uni gehen. Mein AirBnb liegt etwa 35 Minuten zu Fuß von der University of Sydney entfernt und das Wetter ist super. Also gehe ich zu Fuß und hole mir in Newtown noch etwas zum Frühstücken auf die Hand. Das Gebäude, in dem ich arbeiten werde, sieht schon von außen sehr modern aus. Ich fahre auf die 5. Etage, wo ich mich mit meiner Mentorin treffe.


Isabelle ist Senior Lecturer an der Uni Sydney und forscht und lehrt im Bereich Audiologie / Sprachtherapie. Damit haben wir viele Überschneidungen in unseren Themenbereichen. Nachdem ich sie per Mail kontaktiert hatte und nach der Möglichkeit eines Forschungsaufenthalts bei ihr fragte, war sie sehr offen und nannte mir eine ganze Liste an Tätigkeiten, an denen ich bei einem Besuch teilnehmen könnte. Ich wollte sofort alles davon machen.
Nachdem Isabelle mich in Empfang genommen hatte, erzählt sie mir, was sie für den heutigen Tag für mich geplant hat. Wir starten mit einem Tutorium in Audiometrie, bei dem Studierende ein Hörscreening mit Testpersonen durchführen können. Ich bin eine der Testpersonen und unterstütze bei der Supervision der Studierenden. Später stellt Isabelle mich einigen Kolleg:innen vor. Sie führt mich in der Mittagspause über den Campus und ich lerne das „Hogwarts-Gebäude“ der USyd kennen („The Quadrangle“). Sie zeigt mir auch die verschiedenen Arbeitsplätze im Susan Wakil Health Building, in dem wir arbeiten. Hier ist alles super modern und auf hybrides Arbeiten ausgerichtet. So gibt es keine festen Büros, sondern Arbeitsplätze, die man jeden Tag frei wählen kann. Es gibt Meetingräume, die mit einem Kamera- und Mikrofonsystem und einem großen Bildschirm ausgestattet sind, sodass man unkompliziert hybride Meetings durchführen kann. Wir buchen einen kleinen Besprechungsraum auf dem Touchscreen neben der Tür und planen die ersten Termine für meine erste Woche an der Uni. Wir organisieren eine Schlüsselkarte für mich und einen WLAN Zugang. Um 15:00 merke ich, dass der Jetlag gewinnt, und beschließe nach Hause zu gehen. Dort ruhe ich mich aus und kämpfe mit der Müdigkeit, bis ich abends endlich Schlafengehen kann.


In den folgenden 5 Wochen begleite ich Isabelle und ihre Kolleg:innen in verschiedene Lehrveranstaltungen. So sehe ich einige Vorlesungen zum Thema Audiologie, aber auch zum Thema Sprachtherapie bei Kindern aus Aboriginal / Torres Strait Islander Familien. In Anschluss an die Vorlesungen gibt es nachmittags immer ein Tutorium zu demselben Thema in Kleingruppen. Auch an den Tutorien nehme ich teil, und aufgrund der thematischen Nähe zu meiner Berufserfahrung und meiner Lehre in Köln kann ich immer wieder auch als Ansprechpartnerin bei Fragen den Studierenden weiterhelfen.
Neben den Lehrveranstaltungen hat Isabelle verschiedene Termine zum Thema Forschung für mich eingeplant. Ich nehme zum Beispiel an verschiedenen Research Meetings des Teams teil, in denen sich die Forschenden zu ihren laufenden Projekten austauschen. Ich bin auch bei einigen Supervisions-Terminen dabei, wo Isabelle mit ihren Doktorand:innen und Postdocs bespricht, wie die jeweiligen Forschungsprojekte gerade laufen oder welche Fragen derzeit geklärt werden müssen. Isabelle legt viel Wert darauf, dass ich mich mit verschiedenen Personen vernetzen und beispielsweise über meine Dissertationsprojekte austauschen kann. Sie hat für mich auch eine Präsentation in einem der Research Meetings eingeplant, in dem ich dem gesamten Team meine Projekte vorstellen kann und wertvolles Feedback dazu erhalte. Zudem gibt sie mir in Einzelgesprächen die Gelegenheit, den aktuellen Stand meiner Projekte im Detail zu besprechen, und ich erhalte hilfreiche Tipps und Denkanstöße, die ich in der weiteren Arbeit an meinen Projekten nutzen kann. Wir treffen uns auch zweimal online mit der Betreuerin meiner Doktorarbeit aus Köln.
Neben Forschung und Lehre erhalte ich auch praktische Einblicke in das Arbeitsfeld. An einem Tag besuche ich die Speech Clinic in der Uni. Dort führen Studierende der Sprachtherapie Therapien mit Patient:innen unter Supervision durch. Die Supervision läuft über ein Videosystem, das in den Therapieräumen installiert ist. So können die Supervisor:innen die Therapiesitzungen aus einem anderen Raum verfolgen und den Studierenden dann Feedback dazu geben. Einen anderen Tag verbringe ich im Shepherd Centre, einem Zentrum für Frühinterventionen für Kinder mit Hörschädigungen. Dort begleite ich Sprachtherapeutinnen und Audiologinnen in verschiedene Therapiesitzungen, Elterngruppen und Teamsitzungen.


Neben den offiziellen Terminen gibt es auch viele Möglichkeiten zum Netzwerken bei Social Events. Es sind immer verschiedene Teammitglieder zur Mittagszeit in der Küche zu finden, und gerne isst man gemeinsam zu Mittag. Zusätzlich gibt es auch einige Termine zum Treffen bei Morning Tea oder Dinner. Neben dem Austausch über Forschung, Lehre und Praxis erfahre ich auch, wie das akademische System in Australien funktioniert und was die Unterschiede zu Deutschland sind. Ich erhalte dabei auch hilfreiche Tipps für die Karriereplanung.
Neben meiner spannenden Arbeit an der Uni habe ich bei meinem Aufenthalt in Sydney natürlich auch Zeit, die Stadt und die Umgebung kennenzulernen. Ich lerne Sydney bei einer Free Walking Tour kennen, laufe über die Harbour Bridge und gehe ins Opernhaus. Ich besuche wunderschöne Strände und Küsten und obwohl ich weiß, dass es dort auch Haie und giftige Quallen (Bluebottles) gibt, wage ich mich auch ins Wasser. Ich streichele in einem Wildpark Kängurus, Wallabys und Koalas. Ich lerne in der Art Gallery of New South Wales und im Australian Museum viel über die Geschichte und Kultur Australiens. Ich verbringe ein Wochenende auf Kgari Island und erkunde an einem Tag die Blue Mountains. Ich sehe mir eine Comedy Show und ein Musical an und besuche die Sydney Royal Easter Show. Ich gewinne mit Hut und Sonnencreme bewaffnet gegen den Sonnenbrand. Ich genieße den „Herbst“ in Sydney, der wärmer ist als der deutsche Sommer, während es zu Hause 10 Grad und Regenwetter sind. Ich mache Bekanntschaften aus aller Welt und lerne Kakerlaken einzufangen. Ich sehe riesige Fledermäuse in der Dämmerung fliegen und Bin Chicken an jedem Mülleimer.
Ich genieße meine Zeit in Sydney sehr und sie geht viel zu schnell vorbei. Auf meinem Weg zurück nach Köln habe ich jede Menge schöne Erinnerungen und Erlebnisse im Gepäck. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und viel gelernt – für meine Dissertation, für meine berufliche Zukunft und für mich
persönlich. Ich würde diese Erfahrung nie mehr missen wollen und werde noch lange von meiner Zeit in Sydney schwärmen. Für mich steht eins fest: es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich in Australien war. Und hoffentlich auch nicht mein letzter Forschungsaufenthalt.